Misteltherapie

Biologische Krebsbehandlung mit Mistelpräparaten

Dr. Frank Meyer

Seit dem Altertum weiß man um die Heilkraft der weissbeerigen Mistel (Viscum album), einem auffälligen, auf Bäumen wachsendem, immergrünem Halbschmarotzer. In Form von Misteltee und Arzneimittelzubereitungen wird diese Pflanze traditionell vor allem zur Bluthochdruckbehandlung eingesetzt. In der Krebsbehandlung wird die Mistel seit 1918 verwendet. Ihre Entdeckung als Krebsmittel geht auf Rudolf Steiner, den Begründer der Anthroposophie, zurück. Heute stehen zahlreiche hochentwickelte und in ihrer Wirkung verbesserte Mistelpräparate (Iscador®, Helixor®, Abnobaviscum®, Iscucin®) für die Krebstherapie zur Verfügung, in erster Linie in Form von Ampullen, deren Inhalt mehrmals wöchentlich unter die Haut gespritzt wird.

Weißbeerige Mistel / Viscum album
Weißbeerige Mistel / Viscum album

Wie wirkt die Mistelbehandlung?

In zahlreichen Studien konnte für den Extrakt aus der Mistelpflanze die Wirksamkeit bei Krebserkrankungen nachgewiesen werden. Durch eine Misteltherapie werden sowohl die Lebensqualität als auch die Überlebenszeit von Krebspatienten verbessert. Der Versuch, einzelne Inhaltsstoffe für die Wirksamkeit verantwortlich zu machen, führte zur Entdeckung einer ganzen Reihe kompliziert aufgebauter Zucker- und Eiweißstoffe (Viscotoxine und Lektine), die im Experiment hemmend auf die Vermehrung von Krebszellen und anregend auf das Immunsystem wirken, außerdem Vitamin C.

Mistelextrakt hemmt das Tumorwachstum, ohne das gesunde Gewebe zu beeinträchtigen. Durch Anregung des körpereigenen Abwehrsystems werden die gesundenden Kräfte gestärkt und der Bildung von Metastasen entgegengewirkt. Die Nebenwirkungen von Strahlen- oder Chemotherapie können erheblich verringert werden. Bei vielen Patienten zeigt sich die Steigerung der Lebensqualität in einer Verbesserung des Appetits, des Allgemeinbefindens, der Gemütslage, der geistigen Aktivität, des Schlafes und des Rückganges von Schmerzen. In Langzeitstudien konnte bei vielen Krebsarten eine Verlängerung der Überlebenszeit für mit Mistelextrakt behandelte Patienten nachgewiesen werden.

Die Misteltherapie kann mit fast allen schulmedizinischen Methoden der Krebsbehandlung (Operation, Bestrahlung, Chemo- und Hormontherapie) kombiniert werden. In der Regel stellt sie keine Alternative, sondern eine sinnvolle Ergänzung dar, die leider bis heute erst in wenigen Spezialkliniken angeboten wird, und deshalb in erster Linie vom naturheilkundlich ausgebildeten Haus- oder Facharzt eingesetzt wird. Von einer Selbstanwendung ohne ärztliche Beratung und Überwachung ist dringend abzuraten. Sowohl die Auswahl des Mistelpräparates (je nach Herstellungsverfahren und Wirtsbaum, z.B. Kiefer, der Tanne, der Eiche oder vom Apfelbaum) als auch die richtige Dosierung setzen Erfahrung und Fachwissen voraus.

Wie werden Mistelpräparate angewendet?

Eine Behandlung mit Mistelpräparaten ist bei allen Tumorarten und in allen Stadien angezeigt, auch bei Vorstadien des bösartigen Wachstums, den sog. Präkanzerosen. Die Behandlung kann sowohl ergänzend zu oder im Anschluss an schulmedizinische Verfahren erfolgen, als auch in fortgeschrittenen Krankheitsstadien und in Situationen, in denen es keine schulmedizinische Behandlungsmöglichkeit gibt. Leider kommen viele Patienten erst nach einer Operation zur Misteltherapie, obwohl es gut wäre, schon vor dem Eingriff mit der Behandlung zu beginnen.

Die Inhaltsstoffe der Mistel sind so empfindlich, dass sie im Verdauungssystem zerstört oder abgeschwächt werden. Daher erfolgt die Behandlung in Form von Spritzen, die in der Regel zwei- bis dreimal wöchentlich unter die Haut gegeben werden. Nach der Injektion von zwei Ampullenpackungen, in der Regel vierzehn Injektionen, wird eine Injektionspause, meist von ein bis zwei Wochen eingelegt.

Viele Patienten führen die Injektionen selbständig zuhause durch und erscheinen nur zu regelmäßigen Kontrollen und Besprechungen in der Praxis.

Bei der Entscheidung für eine Mistelbehandlung sollte berücksichtigt werden, dass es sich um eine Langzeittherapie handelt. Weil es bei den meisten Krebsarten innerhalb der ersten zwei Jahre zu Rückfällen oder Metastasen kommen kann, ist es notwendig, die Misteltherapie über mindestens zwei Jahre durchzuführen. Anschließend kann entschieden werden, ob es sinnvoll ist, größere Pausen zwischen den einzelnen Injektionsserien einzulegen. Bei einigen Krebsarten, die erst spät zur Bildung von Metastasen neigen, z.B. beim Brustkrebs empfiehlt sich eine Behandlungsdauer von mindestens 5 Jahren.

Regelmäßige Verlaufskontrollen durch den Arzt (Blutbild- und andere Untersuchungen) sollten während der gesamten Therapie erfolgen.

Mistelbeere
Mistelbeere

Reaktionen und Nebenwirkungen

Ein leichter Anstieg der Körpertemperatur ist erwünscht und ein Hinweis für das Ansprechen der Therapie.

Von den sehr seltenen allergischen Reaktionen, die durch eine Vortestung mit niedrig konzentriertem Mistelextrakt vermieden werden können, sind örtlich begrenzte Entzündungsreaktionen an der Einstichstelle zu unterscheiden, die unbedenklich und ebenfalls ein Hinweis auf die Wirksamkeit der gespritzten Dosis sind.

Ernährung

Der Erfolg einer Misteltherapie hängt auch davon ab, welche zusätzlichen Möglichkeiten für eine Verbesserung der Abwehrlage genutzt werden. Spezielle "Krebsdiäten" sind jedoch selten sinnvoll. Anzuraten sind eine typgerechte, schmackhafte, vollwertige Nahrung mit reichlich frischem Obst und Gemüse, ggf. ergänzt durch Vitamine und Spurenelemente - sowie der Verzicht auf belastende Genuss- und Nahrungsmittel.

Seele und Geist

Eine Krebserkrankung stellt nicht nur eine Bedrohung für die leibliche Lebensgrundlage dar. Sie wird auch häufig als seelische Belastung und Verunsicherung erlebt. Begleitende psychotherapeutische Hilfe kann daher ebenso angebracht sein wie bestimmte Formen der Kunsttherapie.

Wer bezahlt eine Misteltherapie?

Mistelpräparate sind in Deutschland als Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen zugelassen und werden zur Krebsbehandlung vielfach auch von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet. Eine Mistelbehandlung zur Krebsvorbeugung oder zur versuchsweisen Behandlung von anderen Erkrankungen und Störungen wie z.B. Abwehrschwäche und Infektanfälligkeit kann nicht zu Lasten der Krankenkassen erfolgen, im Einzelfall aber sinnvoll sein.